Mittwoch, 28. Januar 2015wolf I
Reißzähne
verbeißen sich in der Wahrheit bis sie stirbt Natürlich- er Lauf der Dinge auf einsamer Reise unter Feinden verdirbt die Sehnsucht bis zur Unkenntlichkeit Keine weiteren Fragen, euer Ehren! Dienstag, 27. Januar 2015über Idioten
Am Montag, den 3. November 2014, verlasse ich meinen Arbeitsplatz am Institut zeitiger als üblich. Denn ich bin über die Information gestolpert, dass einige (viele) Spinner sich nun zum wiederholten Male zusammenfinden, um gegen Ausländer Stimmung zu machen. PEGIDA - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Es soll noch ein paar Wochen dauern, ehe ich mir die Bedeutung dieses Akronyms komplett merken kann. Erster Gedanke: „Nie hört das auf!“ am Ende des Grass'schen Krebsgangs.
„Patrioten“ - okay, wer es braucht... Ich fühle mich eher dem linken Spektrum zugehörig und so ist mir aller Bezug auf Patriotismus erstmal suspekt. In meiner Paranoia, die erste Stufe auf dem Weg zum Nationalismus. „Patriotische Europäer“ - okay, also kein Stolz auf den eigenen Nationalstaat, sondern Stolz auf die EU? Nur weil das Gebiet größer wird, heißt das nicht, dass die Grundidee des Patriotismus dadurch besser wird. „Islamisierung“ - Hm, soweit ich meine Umwelt mitbekomme, ist sie nach wie vor christlich geprägt. Obwohl atheistisch aufgewachsen, feiert meine Familie Weihnachten und Ostern. Zu ersterem geht es auch regelmäßig in die Kirche. Ja, es mag mehr Muslime, als „früher“ geben, aber wo ist das Problem? „Abendland“ - ein Begriff, wie im Märchen. Ebenso wie Europäer soll er möglichst viele einschließen, ohne dabei konkret zu sagen, was wirklich gemeint ist. Am Treffpunkt finden sich ein paar Hundert Menschen. Größtenteils schwarze Klamotten, ein paar Flaggen der „Antifaschistischen Aktion“. Ich war pünktlich am Goldenen Reiter, und allein unterwegs. Ehe es los ging, wird mir kalt. Ich hole mir einen Latte Macchiatto in einer nahe gelegenen Bäckerei-Filiale. Der Zug trottet los. Vor der Altmarkt-Galerie eine Zwischenkundgebung. Eine quäkige Stimme liest den Demoaufruf vor und oben verlinkte Analyse. Alles sehr enttäuschend. „Wir“ sind nicht viele und die Menschen umher gehen zielstrebig ihrem Konsumdrang nach, der sie in die Innenstadt trieb. Ich habe keine Ahnung, wann und wo eigentlich diese Demo, gegen die „wir“ demonstrieren, stattfinden soll. Plötzlich geht eine größere Gruppe zurück Richtung Postplatz, okay, das hatte sich geklärt. Ich verlasse die Demo, mache, einmal in der Innenstadt, noch ein paar Besorgungen und fahre heim. Wochen vergehen. Ich vergesse und bekomme nichts mehr mit von jenen „Montagsdemonstrationen“. 24. November. Die PEGIDA-Demos sind auf ca. 4.000 Menschen angewachsen. Aufgeweckt durch die ersten Berichte der lokalen Presse beschließe ich wieder an der Gegendemo teilzunehmen. Wieder rumstehen in der Kälte, diesmal gemeinsam mit einem Kommilitonen. Wieder eine klägliche Gegendemo, aber mit „Feindkontakt“. Die beiden Gruppen trennt lediglich eine Reihe von aneinandergestellten Polizeibussen. Das erste Mal fällt mir auf, wie schnell ein „Wir gegen die“-Denken von mir Besitz ergreift. „Wir sind das Volk!“ - „Wir sind die Mauer, das Volk muss weg!“, schreit einer. Die folgende Woche bin ich wieder allein unterwegs. Ich komme zu spät, stoße erst bei der Zwischenkundgebung vor der Altmarkt-Galerie dazu. Das erste Mal hab ich das Gefühl, dass es nennenswerten Widerstand gibt. Der Platz ist voll von Menschen, diesmal nicht nur junge Menschen zwischen 15 bis 25, sondern auch Alte, Familien, Hunde... Ich schätze „uns“ auf 1.000 bis 1.500 Menschen. Die Demo zieht weiter auf der St.-Petersburger-Straße und hält gegenüber des Lingnerparks, dem Treffpunkt der PEGIDA. Ich bekomme nichts mit, aber ab und zu zieht die Polizei einzelne Leute aus der Demo. Als PEGIDA loszieht, beginnen „wir“ parallel mitzulaufen. Die Polizei ist sichtlich überfordert und setzt Tränengas gegen die ersten Reihen ein. Am Pirnaischen Platz wird unser Zug gestoppt. Die Polizei konnte die Straße nicht schnell genug räumen, sodass zwischen „uns“ Autos mit genervten und amüsierten Menschen stehen. PEGIDA wird von wenigen Hundert Demonstranten am Terrassenufer blockiert, erfahren „wir“, als der Demozug abzieht in die Dresdner Neustadt. Das erste Mal das Gefühl von „Wir haben was erreicht!“, von „Die Leute wachen auf!“ und von „Wir können denen zeigen, wem die Straße gehört!“. Am 8. Dezember ruft endlich ein breites Bündnis gemeinsam zu einer Aktion auf. Ein Sternmarsch. Über den StuRa der TU erreicht alle Studenten ein Aufruf sich an der Demonstration unter dem Motto „Open Your Mind - Stop Racism!“ zu beteiligen. Allein am Treffpunkt am Campusgelände versammeln sich (von mir geschätzte) 2.000 Menschen. Insgesamt werden es laut Medienberichten 9.000. Als „wir“ am Treffpunkt vorm Rathaus ankommen, ist das Gedränge groß. Beengt durch eine Baustelle und eine Reihe von Polizeibussen ist verdammt wenig Platz für die vielen Demonstranten. Die Stimmung ist gut, die Blechbläser von „Banda Communale“ sorgen für tanzbare Musik und die ist bitter nötig, bei der Kälte. Die Redebeiträge sind kurz und prägnant und ich glaube, dass „die Zivilgesellschaft“ hier und heute einen Sieg erringt. Es gibt viele Schilder auf der Demo, einige gute, einige mit christlichem Hintergrund, mit denen ich erklärtermaßen wenig anfangen kann, aber ich freue mich, dass das Klientel „unserer“ Demo so vielschichtig ist. „Selber Terror!“. Ein Schild, das mich zum Nachdenken bringt, denn ich war im Sommer auf der „Freiheit, statt Angst“-Demo in Berlin und hatte auch da ebenjenen Spruch entdeckt und mich köstlich amüsiert, ob seines Witzes und Wahrheitsgehaltes. Es macht mir zu schaffen, dass diese beiden Debatten, die scheinbar so wenig miteinander zu tun haben, mit dem gleichen simplen Kindergartenargument dekonstruiert werden können. Angeblich sind „wir“ mehr als die bei PEGIDA, am nächsten Morgen sagt mein Radio jedoch 9.000 zu 10.000. Die gefühlte Nicht-Berichterstattung durch die Massenmedien scheint sich nun, da zugleich von der ebenbürtigen Gegendemo berichtet werden kann, zu verflüchtigen. Das Thema erhält nationale Aufmerksamkeit. Konservative Politiker sprechen davon, dass man Verständnis zeigen müsse für die Ängste der Bürger. Die Satiresendungen spotten über das „Tal der Ahnungslosigkeit“ und beharren darauf Idioten, als Idioten zu betiteln. Die offiziellen Forderungen von PEGIDA erscheinen und vermitteln ein politisch korrekt formuliertes Weltbild, dass trotz alledem im Subtext gegen Immigranten wettert. Die ARD spricht mit PEGIDA-Anhängern bzw. lässt sie reden. Ich habe das Gefühl, dass jeder und überall seinen Senf zu PEGIDA abgibt. Alle haben sie ihre Deutung und ich werde stumm, ob all der klugen Worte. Twitter-Nutzer machen sich per #schneegida Luft. In den folgenden Wochen werden es auf PEGIDA-Seite mehr Menschen, auf „unserer“ werden es wieder weniger. Am 7. Januar 2015 erschießen islamistische Terroristen Journalisten und Anwesende der Redaktionskonferenz der Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ in Paris, Frankreich. Die Welt steht Kopf und alle sind Charlie. Selbst PEGIDA. Die Presse spricht nur noch von Terror hier, Terror da. Politiker der ganzen Welt nutzen den Moment für ein prestigeträchtiges Foto, angeblich an vorderster Front der Demo in Gedenken an die Toten des Anschlags. Die deutsche Presse bekleckert sich nicht mit Ruhm und mancher behauptet (Achtung, BILD) gar Edward Snowden sei an allem Schuld. Und natürlich brauchen wir jetzt die Vorratsdatenspeicherung und ein generelles Krypto-Verbot. Ich bekomme das Kotzen, ob all der Missbräuche der Wahrheit. Die Instrumentalisierung die von allen Seiten ausgeht, ist das schlimmste. Die Stimmen der Vernunft, zumindest aus meiner Perspektive, gibt es, aber leise. (Das schöne Argument „Selber Terror!“ mag nicht mehr verstanden werden, aber an dessen Sinnhaftigkeit hat sich nix geändert.) Zurück zu PEGIDA. Am 10. Januar rufen die Dresdner Oberbürgermeisterin und der Ministerpräsident zur Demo „Für Dresden, für Sachsen - für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander“. Ich geh nicht hin. Auch weil sich das Bauchgefühl meldet, wenn die Regierung zu Demonstrationen aufruft. Ein Bauchgefühl, das sagt, dass alles Popanz ist, damit man sich gegenseitig auf die Schulter klopfen kann, dass man etwas getan hat. Später lese ich, dass es natürlich auch in historisch zweifelhafter Reihe steht, wenn die Regierung Massenkundgebungen organisiert. Am 12. Januar ist die Strategie des Bündnis Dresden-Nazifrei keine große Kundgebung oder Demo vorab anzumelden, sodass spontan vielleicht Blockaden möglich werden. Alles verteilt sich in Grüppchen in der Innenstadt. Später daheim erfahre ich, dass es ein paar Leuten gelungen ist, den PEGIDA-„Spaziergang“ zumindest auf die andere Straßenseite zu zwingen. Ebenso lese ich, dass immerhin fast 9.000 Leute nach den, je nach Schätzung, 20.000 bis 25.000 PEGIDA-Demonstranten, die Innenstadt symbolisch ausgekehrt haben. Als ich im Radio höre, dass der Dresdner Hauptbahnhof und der PEGIDA-Umzug angebliche Anschlagsziele sind, muss ich lachen. Als ich lese, dass alle Versammlungen am 19. Januar, aufgrund eines Tweets, verboten werden, muss ich wieder lachen, diesmal nur noch aus Zynismus. Während am 25. Januar, die immer gleichen auf dem Schlossplatz frieren, um ihrem Protest auf Sicht- und Hörweite Ausdruck zu verleihen, treffen sich vermutlich andere am 26. Januar zu einem Mega-Festival mit BAP, Keimzeit, Silly, Gentleman und bunt angetrahlten Gebäuden, weil „Dresden das gar nicht verdient hat“(Niedecken), wie ich gerade im Radio höre. Wow, ich bin bei heute angelangt. Irgendwann in den letzten Wochen spülte mir mein Feedreader einen Link zu Martin Gommel ins Bewusstsein. Ein Fotograf, der bewusst das Gespräch mit Flüchtlingen sucht, sie ihn ihrer verletzlichen Menschlichkeit darstellt. Doch es gibt auch jene, die meinen man könnte das alles schön wegignorieren. Hier entsprang mein Entschluss nun doch auch noch meinen Senf dazu zu geben. Denn man muss mit „denen“ die Konfrontation suchen, um zu zeigen, dass sie eben nicht das Volk sind, dass Nutzen und Kosten die falschen Kategorien sind, wenn es um Menschlichkeit geht. Es ist ein kontroverses Thema. In der Familie und unter Freunden wird darüber gesprochen. Auch in der Straßenbahn höre ich Leute ihre Meinung darüber austauschen. Es geht uns alle an. Ich möchte in keiner Gesellschaft leben, in der Flüchtlinge und Asylbewerber_innen Angst haben müssen. Wir Menschen in den reichen Industrienationen besitzen kein Recht, anderen die Privilegien eines Lebens in diesen unseren Ländern vorzuenthalten. Dass sich Politiker verschiedenster Couleur gegen PEGIDA aussprechen, lässt mich wieder nur zynisch auflachen. Wer Residenzpflicht, Essenmarken und Grenzzäune verteidigt, braucht mir so nicht zu kommen. Die Hoffnung, die bleibt, ist, dass „wir“ Recht haben, wenn „wir“ skandieren: „Eure Kinder werden so wie wir!“. Denn einen Sieg erringen, wird am Ende wohl niemand. Montag, 26. Januar 2015#1
Vor ca. einem Jahr sicherte ich mir diese Domain. Vor über einem halben Jahr, setzte ich gemeinsam mit txt.file dieses Blog auf. Heute soll es seinen ersten Beitrag erhalten.
Dabei fällt mir ein Beitrag des Bildblogs ein, die 2012 auf ein Blog eines Dresdner Studenten verlinkten, der meinte „Virtuelle Welt? Kenn ich nicht!“. Das Blog gibt es nicht mehr. Zwei Dinge sind dazu zu sagen. 1. Ich stimme nicht darüber ein, dass es keine virtuelle Welt gibt. 2. Ich hoffe länger durchzuhalten, als jener Student damals. Auf dass dieses Blog mein Freund und Hobby werde! Herzlich Willkommen!
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